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Kontopfändung: Freigabe von Guthaben für die Begleichung von Arztrechnungen

Erstattungen der privaten Krankenkasse, die zum Ausgleich von Arztrechnungen bestimmt sind, sind auf einem gepfändetem Gläubigerkonto auch dann nach § 850 b ZPO freizugeben, wenn die Vollstreckungsgläubiger selbst Ärzte sind. Dem Vollstreckungsschuldner darf nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden, ärztliche Behandlungen in der Gewissheit in Anspruch zu nehmen, dass die dabei entstehenden Kosten auch durch den Krankenversicherungsvertrag abgedeckt sind.

Tuesday, 09 September 2014 | | | | Kommentieren !
Kontopfändung
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Nachdem eine privatrechtliche Arztrechnung nicht bezahlt wurde, haben die behandelnden Ärzte ihre Ansprüche mit einem Vollstreckungsbescheid titulieren lassen und auf Grundlage dieses vollstreckbaren Titels die Pfändung des Bankkontos der vormaligen Patientin und jetzt Schuldnerin beim Vollstreckungsgericht beantragt.

Als das angerufene Amtsgericht den beantragen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen hatte, hat die Schuldnerin beantragt, einen einmaligen Betrag von etwa 1.000,00 € freizugeben. Sie hatte nämlich eine Erstattung ihrer privaten Krankenversicherung in gleicher Höhe auf ihrem Konto erhalten, und benötigte das Geld, um eine andere Arztrechnung mit dem Erstattungsbetrag auszugleichen. Jetzt drohte das Geld durch die Pfändung des Kontos an Vollstreckungsgläubiger zu gehen.

Amtsgericht: Pfändung gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO aus Billigkeitsgesichtspunkten möglich, da die Gläubiger des Bankkontos selber Ärzte sind ?

Das angerufene Amtsgericht hat dem Antrag zunächst nicht entsprochen und hat die Freigabe des Kontoguthabens nicht angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Pfändung gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO aus Billigkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise möglich sei, weil die Gläubiger, die die Pfändung des Bankkontos beantragt hatten, selber Ärzte seien. Der Zahlungszweck, nämlich die Begleichung von Arztrechnungen, bliebe daher bestehen.

Landgericht schützt die Kontoinhaberin: Arztkosten müssen gedeckt sein


Nachdem diese Entscheidung des Amtsgerichtes der Schuldnerin zugestellt wurde, hat sie eine weitere Beschwerde beim Landgericht eingelegt und bekam Recht: Das Landgericht argumentiert, dass dem Vollstreckungsschuldner nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden könne, ärztliche Behandlungen in der Gewissheit in Anspruch zu nehmen, dass die dabei entstehenden Kosten auch durch den Krankenversicherungsvertrag abgedeckt sind. Das Landgericht führt im Einzelnen aus:

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Ansprüche auf Erstattung von ärztlichen Behandlungskosten nach § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO grundsätzlich nicht pfändbar.

Nach dieser Bestimmung sind Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs-, und Krankenkassen unpfändbar, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden. Zu den Bezügen aus einer Krankenkasse im Sinne des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO gehören auch einmalige Ansprüche des Schuldners gegen einen privaten Krankenversicherungsträger, die auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen im Krankheitsfall gerichtet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 04.Juli 2007, Az. VII ZB 68/06, m. w. N).

Über die Verweisung in § 850 k Abs. 4 S. 2 ZPO ist § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO hier anwendbar.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind die Ansprüche jedoch nicht gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO ausnahmsweise für pfändbar zu erklären.

Gemäß § 850 Abs. 2 ZPO können die in § 850 b Abs. 1 ZPO genannten Bezüge nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

Die Pfändung entspricht hier nicht der Billigkeit. Auch wenn es sich bei der Gläubigerin um ein Abrechnungsunternehmen im Gesundheitswesen handelt und der Vollstreckung ärztliche Zahlungsforderungen zu Grunde liegen, sind die Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin, denen eine Erstattung der privaten Krankenversicherung zur Begleichung von Arzt- und Apothekenrechnungen zu Grunde liegt, nicht pfändbar.

Wie der BGH in der Grundsatzentscheidung, Beschluss vom 04. Juli 2007, Az. VII ZB 68/06, entschieden hat, ist es auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen früherer Gläubiger nicht zu rechtfertigen, einem Schuldner die Möglichkeit abzuschneiden, ärztliche Behandlungen jederzeit in der Gewissheit in Anspruch nehmen zu können, dass die entstehenden Kosten im Rahmen des abgeschlossenen Versicherungsvertrags gedeckt sind. Wie der BGH in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat, soll dies auch gegenüber einem Gläubiger gelten, dessen Forderung ihrerseits eine ärztliche Heilbehandlungsmaßnahme zugrunde liegt, für deren Bezahlung der Schuldner die entsprechende Erstattungsleitung des Versicherers nicht verwandt hat.

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Die Schuldnerin wäre ansonsten gehalten, vor Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zu offenbaren, dass deren Bezahlung nach ihren Vermögensverhältnissen nicht gewährleistet sei. Dem Interesse der Schuldnerin, auch künftig medizinische Behandlungen in Anspruch nehmen zu können, ist gegenüber einem möglichen Forderungsausfall der Gläubigerseite der Vorrang einzuräumen.

Die Kammer übersieht dabei nicht die Problematik, dass gegen die Schuldnerin derzeit neben dem hiesigen Verfahren noch frei weitere Pfändungen wegen offener Arztrechnungen betrieben werden (die Aktenzeichen der Verfahren vor dem Amtsgericht Köln: 290 M 7918/11, 290 M 8123/11, 290 M 6538/12 und 290 M 6283/13). Gleichwohl ist wegen der hohen Bedeutung des Rechtsgutes Gesundheit zum vorliegenden Zeitpunkt eine Freigabe des Geldbetrages gerechtfertigt. Sollte die Schuldnerin den Betrag aber zweckwidrig verwenden, wird dies bei möglichen künftigen Abwägungen im Rahme des § 850 b ZPO gegebenenfalls zu berücksichtigen sein.

LG Köln, Beschluss vom 01.09.2014. AZ: 34 T 170/14


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Letzte Änderung am Tuesday, 07 March 2023 14:57
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Gerhard Ostfalk

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