§ 1 VOB/B regelt hierbei zum einen, wonach sich die Leistungspflicht des Bauunternehmers richtet und unter welchen Bedingungen der Bauherr Änderungen des Leistungssolls vorgeben kann. Demgegenüber regelt § 2 VOB/B die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers.
Wortlaut des § 1 VOB/B
Der Wortlaut der Vorschrift lautet wie folgt:
(1) Die auszuführende Leistung wird nach Art und Umfang durch den Vertrag bestimmt. Als Bestandteil des Vertrags gelten auch die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C).
(2) Bei Widersprüchen im Vertrag gelten nacheinander:
1. die Leistungsbeschreibung,
2. die Besonderen Vertragsbedingungen,
3. etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen,
4. etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen,
5. die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen,
6. die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen.
(3) Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, bleibt dem Auftraggeber vorbehalten.
(4) Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden.
Bestimmung der Leistungspflicht
§ 1 Abs. 1 VOB/B stellt zunächst eine Selbstverständlichkeit klar, nämlich dass sich das vertragliche Leistungssoll hinsichtlich Art und Umfang nach dem Vertrag bestimmt.
Sodann wird in Abs. 1 Satz 2 BOB/B klargestellt, dass für alle VOB-Verträge auch die Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen der VOB/C gelten.
Und schließlich wird in Abs. 2 VOB/B geklärt, in welchem Rangverhältnis unterschiedliche Vertragsbestandteile zu werten sind, wenn es zu Widersprüchen zwischen einzelnen Vertragsbestandteilen kommt.
Auslegung des Vertrages bei Widersprüchen der Vertragsunterlagen
In der Praxis kommt es darauf an, in den Vertrag deutlich zu formulieren, welche zusätzlichen Bestandteile er mit einbeziehen soll. Welche Leistungsbeschreibung soll Vertragsbestandteil werden, nach welchen Plänen, Skizzen und Zeichnungen gearbeitet werden soll, ist dabei klarzustellen.
Grundsätzlich kann der Vertragsschluss und die Einbeziehung einzelner Vertragsunterlagen auch mündlich erfolgen. Sowohl dem Auftragnehmer, als auch dem Auftraggeber ist zu empfehlen, klare schriftliche Vereinbarungen zu treffen.
Bei Verträgen gegenüber Verbrauchern ist es wichtig, ihm vorformulierte Vertragsbedingungen in schriftlicher Form auszuhändigen. Besser ist es dabei, Vertragsergänzungen mit dem Werkvertrag fest zu verbinden.
Je umfangreicher die Planungsunterlagen sind und je mehr Planer und Fachplaner an einem Bauvorhaben beteiligt sind, desto eher kommt es zu Widersprüchen zwischen einzelnen Bedingungswerken. Diese Widersprüche müssen aufgelöst werden.
Noch vor der Frage, welche Vertragsbestandteile vorrangig, und welche nachrangig zu bewerten sind, ist zunächst der Inhalt des Werkvertrages durch Auslegung zu ermitteln. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist dabei der wirkliche, gemeinsame Wille der Vertragsparteien maßgeblich.
Wenn auf Grundlage der Vertragsunterlagen eine eindeutige Vertragsauslegung scheitert, gibt § 1 Abs. 2 VOB/B eine Rangfolge vor, aus der sich die Beachtlichkeit der Vertragsbestandteile ergibt. Grundsätzlich haben dabei konkrete individuelle Vereinbarungen der Vertragsparteien Vorrang vor allgemeinen Vertragsbedingungen und speziellere Regelungen gehen allgemeinen Regelungen vor. Wenn es z.B. zu Wertungswidersprüchen zwischen der Leistungsbeschreibung und den besonderen Vertragsbedingungen kommt, ist die Leistungsbeschreibung, weil nach § 1 Abs. 2 VOB/B vorrangig, maßgeblich.
Im Einzelnen gelten die Vertragsbestandteile in der folgenden Reihenfolge:
1. die Leistungsbeschreibung,
2. die Besonderen Vertragsbedingungen,
3. etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen,
4. etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen,
5. die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen,
6. die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen.
Dringend ist davor abzuraten, die Rangfolgeregelung der VOB/B abzuändern, da dies zum einen zu Wertungswidersprüchen und zum anderen zu Klauselunwirksamkeiten führen kann, die zum einen nicht kalkulierbar sind und sich zum anderen nachteilig auswirken können.
Änderung des Bauentwurfs
§ 1 Nr. 3 VOB/B gibt dem Auftraggeber ein echtes Änderungsrecht in Bezug auf den Bauentwurf und nicht lediglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des §§ 315 BGB. Im Gegensatz zum BGB-Werkvertrag behält der Auftraggeber beim VOB-Vertrag das Recht, den Bauentwurf zu ändern. Der Weg von der Planung bis zur fertigen Realisierung eines Bauvorhabens ist oft eine lange Strecke, bei der viele unvorhersehbare und unvermeidbare Änderungs-und Anpassungserfordernisse auftreten können. Damit der Bauherr nicht an seinen ursprünglichen Vertrag gebunden ist, stellt die VOB/B sein Änderungsrecht klar.
Geändert werden darf nach § 1 Abs. 3 VOB/B aber lediglich der Bauentwurf, nicht hingegen sonstige Vertragsinhalte.
Der Auftragnehmer ist grundsätzlich dazu verpflichtet, die geänderte Planung zu realisieren. Aber dem Recht des Bauherren zur Änderung des Bauentwurfes stehen die Preisanpassungsansprüche des Auftragnehmers gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B gegenüber.
Leistungsänderungen, die zu Mehrleistungen führen, berechtigen den Auftragnehmer nach § 6 Nr. 2 VOB/B auch zu einer Anpassung der Ausführungsfristen.
Zusätzliche Leistungen
Der Bauherr kann von dem Bauunternehmer grundsätzlich auch zusätzliche Leistungen verlangen, die im ursprünglichen Bauvertrag nicht vereinbart waren, wenn diese erforderlich sind, um das vertragliche vereinbarte Leistungssoll zu erbringen.
Der Werkunternehmer ist nicht zur Erbringung von zusätzlichen Leistungen verpflichtet, wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist.
Erforderliche sind die Zusatzleistungen, wenn eine technische Notwendigkeit besteht. In der Regel fallen vergessene Leistungen darunter. Im Einzelnen muss durch Auslegung ermittelt werden, was als notwendig anzusehen ist. In jedem Fall reicht es nicht aus, wenn die zusätzliche Leistung lediglich zweckmäßig, aber eben nicht notwendig sein soll.
Der zur Leistung verpflichtete Bauunternehmer hat einen Anspruch auf Preisanpassung nach § 2 Nr. 6 VOB/B hierbei hat er eine Ankündigungspflicht zu beachten.
Übersicht von Änderungs- und Anordnungsrechten des Bauherren und den daraus folgenden Vergütungsansprüchen des Auftragnehmers
Änderung des Leistungssoll | Rechtsfolge / Vergütungsanspruch | |
---|---|---|
Anordnung von Bauentwurfsänderungen, § 1 Abs. 3 VOB/B | Preisanpassungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B | |
Keine Ankündigungspflicht | ||
Allgemeine nebenvertragliche Beratungspflichten | ||
Anzeigepflichten wie Behinderungsanzeige bestehen auch bei Änderungen des Bauentwurfes | ||
Zusätzliche Leistungen | Zusätzliche Leistungen nach Anordnung des Bauherren, § 1 Abs. 4 VOB/B | Preisanpassungsanspruch nach § 2 Nr. 6 VOB/B |
Ankündigungspflicht vor Leistungserbringung für Mehrvergütungsanspruch | ||
Zusätzliche, notwendige Leistung ohne Anordnung | Grundsätzlich besteht kein Vergütungsanspruch, § 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B | |
Ausnahmsweise Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B | ||
- | wenn der Auftraggeber die Leistung nachträglich anerkennt oder | |
- | wenn die Leistung dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprach Bericht und unverzüglich angezeigt wurde oder | |
- | eine Vergütung nach GOA gemäß § 677 ff. BGB in Betracht kommt | |