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Architekt haftet, auch wenn er den Planungswunsch des Bauherren erfüllt

Die Idee war nicht neu. Wer Reihenhäuser in Form von Wohnungseigentum errichtet und veräußert, kann Kosten sparen. Der  Gedanke dahinter: Es muss nur ein Grundstück an Versorgungsleitungen angeschlossen werden, es fallen keine Kosten für die Realteilung der Grundstücke an, baurechtlich lassen sich Bauweisen zum Beispiel ohne Abstandsflächen berücksichtigen zu müssen realisieren, die bei Realteilung der Reihenhausparzellen nicht zulässig wären.

Monday, 09 February 2015 | | Kommentieren !
Haftung des Architekten bei Planungsverschulden
Haftung des Architekten bei Planungsverschulden

Aber Vorsicht, wer an der falschen Stelle spart, muss dies am Ende teuer bezahlen. Das bekam eine Bauträgerin und ein Architekt zu spüren, als sie die Ausführung einer zweischaligen Zwischenwand zwischen zwei Reihenhäusern einsparen wollten.

Die Planung eines Architekten für einen Bauträger ist ungeachtet der mit diesem getroffenen Vereinbarung, Trennwände einschalig zu planen, mangelhaft, wenn sie den von den Vertragsparteien vorausgesetzten Zweck nicht erfüllt, eine mangelfreie Veräußerung des so errichteten Bauwerks an die Erwerber zu ermöglichen, weil diesen eine zweischalige Ausführung der Trennwände geschuldet wird.

Der Sachverhalt

Die klagende Bauträgerin, ließ von ihrem Architekten zwei Reihenhauszeilen mit jeweils fünf Reihenhäusern planen.
Die einzelnen Reihenhäuser sollten dabei als "Reihenhäuser in Form von Wohnungseigentum" nach dem Wohnungseigentumsgesetz verkauft werden. Unter anderem sollte mit diesem Konzept der "senkrecht geteilten Wohneinheiten" Kosten dadurch eingespart werden, dass die Trennwände zwischen den Hauseinheiten lediglich einschalige ausgeführt werden sollten.
Die Bauträgerin hat diesem Konzept zugestimmt, obwohl ihr bewusst war, dass Reihenhäuser nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik eine doppelschalige Ausführung der Trennwände erfordern. Doppelschalige Haustrennwände dienen einem erhöhten Schallschutz, der bei einer Wohnungsaufteilung innerhalb eines Mehrparteiengebäudes nicht erforderlich ist.
Dabei ist die Bauträgerin  ebenso wie der beklagte Architekt fälschlicher Weise davon ausgegangen, dermaßen verkaufte Objekte genügten den Anforderungen an den Schallschutz, wenn dieser dem Schallschutz im Geschosswohnungsbau entsprach und die Trennung der Wohneinheiten einschalig erfolgte.
Tatsächlich aber irrten Architekt und Bauträger, jedenfalls gelang es gegenüber den Erwerbern nicht, einen Schallschutzstandard zu vereinbaren, dem die einschalige Bauweise gerecht wurde. Die Erwerber der Reihenhäuser konnten gegenüber dem Bauträger Mängelabzüge vom Kaufpreis gerichtlich durchsetzen, weil die einschalige Bauweise nicht dem von ihnen erwarteten Schallschutz entsprach.

BGH verurteilt Architekten zu Schadensersatz

Der Bundesgerichtshof verurteilte den Architekten zu einem Teil des Schadens, der darauf beruht, dass er die zehn Reihenhäuser nicht mit zweischaligen Trennwänden und damit mit unzureichendem Schallschutz geplant und hat ausführen lassen.

Der Bundesgerichtshof hat argumentiert,
•    dass die Planungsleistung des Architekten mangelhaft ist weil sie nicht die vertragliche Beschaffenheit aufweist
•    für die vertragliche Beschaffenheit kommet es nicht nur darauf an, wie die Bauausführung sein soll,
•    sondern auch es kommt darauf an, welche Funktion das errichtete Bauwerk haben soll.
•    Dabei gehört zur Funktion der Reihenhäuser, dass sie sich so verkaufen lassen müssen, dass sie den vertraglichen Erwartungen der Erwerber entsprechen.

•    Auch wenn  dem Architekten vom Bauträger aufgegeben wurde, die Trennwände zwischen den Reihenhäusern einschalig zu planen, ist das Ergebnis mangelhaft, wenn sie den von den Vertragsparteien vorausgesetzten Zweck nicht erfüllt, eine mangelfreie Veräußerung des so errichteten Bauwerks an die Erwerber zu ermöglichen, weil diesen eine zweischalige Ausführung der Trennwände geschuldet wird.
Aber das Gericht gibt der Bauträgerin nicht vollständig Recht. Es nimmt vielmehr ein
•    Mitverschulden an, welches dazu führt, dass die Bauträgerin auf einem Teil ihres Schadens sitzen bleibt.

Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll

Der BGH führ unter anderem dazu im Einzelnen aus:

Für den der Klägerin aus dieser Inanspruchnahme entstandenen Schaden haftet der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 633 Abs. 1, § 635 BGB, weil er die Objekte mit unzureichendem Schallschutz geplant hat.
(…)
Die Planung eines Architekten ist mangelhaft, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit liegt deshalb auch dann vor, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck des Werkes nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt. Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Leistung, wie z.B. ein bestimmtes Planungsdetail, vereinbart haben (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, BauR 2012, 115, 117 = NZBau 2011, 746 m.w.N.)
Nach diesen Grundsätzen ist die Planung des Beklagten mangelhaft.
(…) Maßgebend ist der subjektive Mangelbegriff, so dass auf die von den Parteien vereinbarte Beschaffenheit abzustellen ist.
Diese ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln.
(…)
Danach war der Beklagte zunächst beauftragt, für die Klägerin zwei Reihenhauszeilen mit jeweils fünf Reihenhäusern zu planen. Diese Planung diente nicht nur der Bebauung des Grundstücks mit diesen Reihenhäusern.
(Dem Beklagten war bekannt, dass die Klägerin als Bauträgerin die von ihr errichteten Reihenhäuser veräußern wollte. )
Die Planung verfolgte auch den Zweck, die Veräußerung als Reihenhäuser zu ermöglichen und eine Inanspruchnahme der Klägerin wegen Planungsfehlern zu vermeiden.
Maßgeblich ist insoweit die Übereinstimmung der Planung mit der von den Parteien entwickelten Vorstellung von dem an die zukünftigen Erwerber zu veräußernden Objekt. Einseitige Vorstellungen der Klägerin, mit welchen Qualitätsstandards sie die Reihenhäuser vermarkten wollte, bleiben unberücksichtigt.
(…)
Es kann dahinstehen, ob die Abrede, Reihenhäuser zu planen, dadurch geändert worden ist, dass die Parteien auf Vorschlag des Beklagten übereingekommen sind, die Wohnobjekte mit einschaligen Trennwänden auszuführen.
Denn diese Vereinbarung ändert jedenfalls nichts an der Zweckbestimmung der von dem Beklagten geschuldeten Planung. Es ging nach wie vor darum, eine Planung zu erstellen, mit der die Klägerin die Objekte auf der Grundlage der gemeinsamen Vorstellung der Parteien ohne Mängelrügen der Erwerber vermarkten konnte.
Diese Zweckbestimmung hat die Planung des Beklagten verfehlt, so dass sie mangelhaft ist.
Dabei ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass beide Parteien annahmen, es sei zulässig, die Objekte mit einem Schallschutzstandard wie "Geschosswohnungen, die nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt worden sind", zu planen. Auch die dermaßen veräußerten Objekte - die Klägerin hat sie abweichend davon als "Reihenhäuser in Form von Wohnungseigentum" angeboten - hätten einen mangelhaften Schallschutz aufgewiesen. Denn die Erwerber hätten die Objekte zu Recht als solche eingeordnet, die in der konstruktiven Ausführung denjenigen von Reihenhäusern entsprachen, weil die übereinander liegenden Geschosse zusammen angeboten waren (senkrecht geteilte Wohneinheiten) und jede dermaßen gebildete Einheit einen separaten Eingang hatte, so dass sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild Reihenhäusern entsprachen.
Allein die davon abweichende und nicht aus sich heraus verständliche Benennung als "Geschosswohnungen, die nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt worden sind", hätte nichts daran geändert, dass nach dem objektiven Inhalt der Verträge zwischen der Klägerin und den Erwerbern Einheiten verkauft werden sollten, die in der Konstruktion und Ausführung insbesondere den Schallschutz betreffend Reihenhäusern entsprachen.
Die Erwerber können gegen die Klägerin Mängelansprüche wegen des planungsbedingt mangelhaften Schallschutzes geltend machen. Nach den (…) Feststellungen des Berufungsgerichts sind Reihenhäuser nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik mit zweischaligen Trennwänden auszuführen und es ist der dadurch erreichbare Luftschallschutz von mindestens 62 dB geschuldet (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, 351 f., 355 f.).
Die Klägerin schuldet den Erwerbern die Einhaltung dieser Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als vom Unternehmer grundsätzlich einzuhaltender Mindeststandard gelten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19).
Sie hat mit den Erwerbern nicht dadurch eine von diesem Mindeststandard abweichende Vereinbarung getroffen, dass sie in der Baubeschreibung angegeben hat, die Haustrennwände würden aus "Kalksandstein d=30 cm einschalig" ausgeführt werden. Daraus erschloss sich für die Erwerber nicht, dass die ihnen verkauften Reihenhäuser nicht diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards aufwiesen, die auch vergleichbare andere, zeitgleich fertiggestellte Reihenhäuser erfüllten. Für eine abweichende Vereinbarung reicht der Hinweis auf die einschalige Haustrennwand in der Baubeschreibung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225, 230). Ein Erwerber kann daraus mangels Fachkunde nicht ersehen, dass wegen dieser 23 Bauausführung ein den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechender Schallschutz nicht erreicht wird.
(3) Die Planung des Beklagten sieht lediglich eine einschalige Ausführung vor, die den von der Klägerin mindestens geschuldeten Schallschutzwert von 62 dB in der Ausführung nicht erreicht.
Der Beklagte hat diesen Mangel seiner Planung auch zu vertreten. Seine Planung beruht auf dem Irrtum, den Erwerbern werde kein Standard von Reihenhäusern geschuldet, wenn die geplanten Objekte ihrem äußeren Erscheinungsbild Reihenhäusern entsprechen, jedoch als "Geschosswohnungen, die nach Wohnungseigentumsgesetz geteilt worden sind", veräußert werden. Dieser Irrtum ist vermeidbar, denn dem Beklagten hätte es ohne Weiteres einleuchten müssen, dass es für im Baugewerbe nicht erfahrene Erwerber keine Rolle spielt, welche rechtliche Konstruktion gebildet wird, um Objekte zu erwerben, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Reihenhäuser einzuordnen sind.
2. Eine Haftung des Beklagten scheidet nicht deshalb aus, weil die Klägerin das sich aus dem verminderten Schallschutz ergebende Risiko durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung übernommen hätte. Allerdings können die Parteien rechtsgeschäftlich vereinbaren, dass der Auftraggeber das Risiko übernimmt, die Planung werde die an sich vorausgesetzte Funktion und ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllen. Da ein Architektenvertrag einem dynamischen Anpassungsprozess unterliegt, kann eine vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber auch nach Vertragsschluss im Rahmen der Abstimmung über das geplante Bauvorhaben erfolgen.
Voraussetzung für eine derartige vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber ist, dass dieser die Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hat, welches durch die Abänderung der Planung entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, BauR 2011, 869 Rn. 22 = NZBau 2011, 360; Urteil vom 9. Mai 1996 - VII ZR 181/93, BauR 1996, 732, 734). 24 Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass eine Risikoübernahme nicht vorliegt.
 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind sowohl der Beklagte als auch die Klägerin davon ausgegangen, dass die von dem Beklagten vorgeschlagene Lösung nicht zu Problemen mit den Erwerbern führt. Den Gesellschaftern der Klägerin war zwar bekannt, dass Reihenhäuser mit Trennwänden in zweischaliger Ausführung zu errichten waren, sollten sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Sie unterlagen aber dem vom Beklagten genährten Irrtum, die Erwerber könnten keinen höheren Schallschutz als für Geschosswohnungen verlangen, wenn die Objekte als "Geschosswohnungen" verkauft würden. Die Klägerin hat deshalb nicht das Risiko übernehmen wollen, das in dieser Fehleinschätzung lag. Vielmehr ging sie erkennbar davon aus, dass die rechtliche Konstruktion nicht nachteilig für sie sein werde. Andere Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

(Mitverschulden)
Der BGH stellt dann noch fest, dass der Architekt gegenüber dem Bauträger nicht den vollen Schaden ersetzen muss, den Bauträger trifft ein erhebliches Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB.
Die Klägerin (…) ist (…) davon ausgegangen, dermaßen verkaufte Objekte genügten den Anforderungen an den Schallschutz, wenn dieser dem Schallschutz im Geschosswohnungsbau entsprach und die Trennung der Wohneinheiten einschalig erfolgte.
Diese Einschätzung beruhte auf der fehlerhaften rechtlichen Bewertung des Inhalts der mit den Erwerbern geschlossenen Verträge.
Diese Bewertung ist außerordentlich fern liegend.
(…)
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass ein Auftraggeber nicht blind auf eine rechtliche Annahme eines planenden Architekten vertrauen darf (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, BauR 2011, 869 Rn. 44 f. = NZBau 2011, 360).
Der Auftraggeber (…) ist (…) im eigenen Interesse gehalten, eine erkennbar zweifelhafte Rechtsauffassung des Architekten zu überprüfen und falls notwendig dazu Rechtsrat einzuholen. Das gilt auch, soweit ein Bauträger aufgrund seiner Sachkunde erkennen muss, dass die rechtliche Annahme letztlich dazu führen könnte, Erwerber in ihrer berechtigten Erwartungshaltung zu enttäuschen.
Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Klägerin und des Beklagten gegeneinander abzuwägen.
(…)  Dabei ist davon auszugehen, dass der Beklagte mit seinem unzutreffenden Hinweis, es könnten statt Reihenhäuser "senkrecht geteilte Wohneinheiten" geplant und ausgeführt werden, die auch nur den Schallschutz von Wohnungen erfordern würden und deshalb mit einschaligen Trennwänden geplant und ausgeführt werden könnten, den "Grundstein" für den unzureichenden Schallschutz der Reihenhäuser gelegt hat.
Auf der anderen Seite fällt ganz erheblich ins Gewicht, dass die Klägerin jegliche naheliegende Überlegung zu diesem Vorschlag unterlassen und dann sogar die Wohneinheiten später als Reihenhäuser vermarktet hat, obwohl ihr bewusst war, dass diese Wohneinheiten den für Reihenhäuser üblichen Schallschutz nicht besitzen. Bei Berücksichtigung dieser Umstände erscheint es gerechtfertigt, den Beklagten zu einem Drittel und die Klägerin zu zwei Dritteln für den aus der mangelhaften Planung erwachsenen und noch erwachsenden Schaden haften zu lassen.

Anmerkung zu BGH • Urteil vom 20. Dezember 2012 • Az. VII ZR 209/11


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Letzte Änderung am Tuesday, 07 March 2023 15:42
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Gerhard Ostfalk

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