Jemand besitzt ein Haus, hat aber große Schulden und kann diese nicht mehr bezahlen. Er muss Angst haben, dass ihm das Haus von seinen Gläubigern im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen wird.
Ein Klassiker, um sich den Zugriff der Gläubiger auf den Wohnraum zu entziehen ist die Einräumung eines Wohnrechtes zu eigenen Gunsten.
Die Idee des Wohnungseigentümers: Wenn das Haus jemand anderem übertragen wird – zum Beispiel einem Freund oder einer Firma – dann gehört es offiziell nicht mehr dem Schuldner und ist dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Und wenn der Schuldner gleichzeitig zu seinen eigenen Gunsten mit einem eigetragenen Wohnrecht das Recht sichert, trotzdem dort zu wohnen, dann soll niemand Wohnrecht angreifen können.
Das bedeutet:
- Eigentum abgeben → Er überträgt das Haus auf eine andere Person oder Firma.
- Wohnrecht behalten → Er lässt sich ins Grundbuch eintragen, dass er dort wohnen darf.
Er hofft, dass die Gläubiger (z. B. die Bank oder andere, denen er Geld schuldet) das Haus nicht mehr pfänden können, weil es ihm ja offiziell nicht mehr gehört.
Warum funktioniert das nicht immer?
Eine solche Konstruktion kann für einen Gläubiger ein Hemmnis sein, auf das Wohnrecht im Wege der Zwangsvollstreckung zurückzugreifen.
Grundsätzlich ist ein Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB nicht übertragbar und daher gemäß § 857 Abs. 1 ZPO nicht pfändbar. Dies bedeutet, dass ein Wohnungsrecht in der Regel nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein kann.
Der Berechtigte des Wohnungsrechts behält die alleinige Verfügungsbefugnis über dieses Recht. Nur er kann eine Aufgabeerklärung abgeben (§ 875 BGB) oder die Löschung bewilligen (§ 19 Abs. 1 GBO).
Dies gilt selbst dann, wenn der Berechtigte Eigentum an dem betreffenden Grundstück erworben hat, da nach § 889 BGB ein an einem fremden Grundstück begründetes Recht nicht durch Konsolidation erlischt.
Das Problem ist aber, dass der Insolvenzverwalter solche Tricks erkennen kann.
Rückgängigmachung der Eigentumsübertragung
Der Insolvenzverwalter kann die Übertragung des Grundstückes auf einen Dritten in bestimmten Fällen rückgängig machen.
Die Rolle des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter wird vom Gericht bestellt, sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Seine Aufgabe ist es, das Vermögen des Schuldners zu verwalten und zu verwerten, um die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen. Er prüft, ob Vermögenswerte des Schuldners in die Insolvenzmasse gehören, damit sie zur Schuldentilgung genutzt werden können.
Die Insolvenzanfechtung – Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage für die Rückgängigmachung von bestimmten Vermögensübertragungen durch den Insolvenzverwalter ist die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO).
Was ist eine Insolvenzanfechtung?
Die Insolvenzanfechtung ermöglicht es dem Insolvenzverwalter, bestimmte Rechtshandlungen des Schuldners rückgängig zu machen, wenn sie dazu dienten, Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Dazu gehören insbesondere Übertragungen von Eigentum, Schenkungen oder unübliche Zahlungen kurz vor der Insolvenz.
Wann kann der Insolvenzverwalter anfechten?
Der Insolvenzverwalter kann eine Übertragung von Vermögen rückgängig machen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO)
- Der Schuldner wusste, dass er in finanziellen Schwierigkeiten war.
- Er hat das Grundstück übertragen, um es vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen.
- Wenn der Schuldner sein Vermögen bewusst so verschoben hat, dass seine Gläubiger leer ausgehen.
- Dies kann bis zu 10 Jahre vor Insolvenzantrag zurückverfolgt werden.
- In unserem Fall könnte der Insolvenzverwalter argumentieren:
- Unentgeltliche Verfügung (§ 134 InsO)
- Wenn der Schuldner sein Vermögen verschenkt oder ohne angemessene Gegenleistung überträgt.
- Dies kann bis zu 4 Jahre vor der Insolvenz angefochten werden.
- Wenn der Mann das Grundstück ohne echte Gegenleistung auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) übertragen hat, könnte diese Vorschrift greifen.
- Rechtshandlungen kurz vor der Insolvenz (§ 130 InsO)
- Wenn eine Übertragung innerhalb von 3 Monaten vor der Insolvenz erfolgt ist und den Gläubigern schadet.
- In unserem Fall wäre relevant, ob die Grundstücksübertragung in den letzten 3 Monaten vor Insolvenzantrag erfolgte.
Rückabwicklung der Grundstücksübertragung
Nachdem die Insolvenz eröffnet wird, prüft der Insolvenzverwalter, welche Vermögenswerte dem Schuldner ursprünglich gehörten. Dabei stellt er fest, wenn der Schuldner sein Grundstück vor der Insolvenz an die GbR übertragen hatte.
- Der Insolvenzverwalter prüft, ob eine Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO möglich ist.
- Er sieht, dass die Übertragung des Grundstücks den Gläubigern schadete, weil sie keinen Zugriff mehr darauf hat.
- Er stellt fest, dass der Schuldner selbst ein Wohnungsrecht behalten hat – ein Hinweis darauf, dass die Übertragung möglicherweise nur dazu dient, das Grundstück vor der Insolvenzmasse zu „retten“.
- Der Insolvenzverwalter ficht die Übertragung erfolgreich an.
- Er macht vor Gericht geltend, dass die Grundstücksübertragung nach § 133 InsO (vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung) oder § 134 InsO (unentgeltliche Verfügung) unwirksam ist.
- Das Gericht gibt ihm recht.
- Folge: Das Grundstück fällt zurück an den Schuldner.
- Die Übertragung wurde rückgängig gemacht, sodass das Grundstück wieder in dessen Eigentum übergeht.
- Dadurch wird es Teil der Insolvenzmasse und kann zur Begleichung der Schulden verwendet werden.
Löschung des Wohnungsrechtes
Nachdem das Grundstück wieder dem Schuldner gehört, stellte sich die Frage:
Darf der Schuldner trotzdem wohnen bleiben, weil er sich vorher ein Wohnungsrecht gesichert hatte?
- Normalerweise ist ein Wohnungsrecht nicht pfändbar und bleibt bestehen.
- Aber: Der BGH entschied, dass dies nicht gilt, wenn Eigentümer und Wohnrechtsinhaber dieselbe Person sind.
- Weil das Grundstück wieder dem Schuldner gehörte, konnte der Insolvenzverwalter das Wohnungsrecht löschen und das Grundstück ohne Beschränkungen verwerten.
Fazit: Warum funktionierte der Trick nicht?
- Der Insolvenzverwalter hat die Übertragung rückgängig gemacht, weil sie nur dazu diente, das Grundstück vor der Insolvenz zu „retten“.
- Das Wohnungsrecht wurde gelöscht, weil es nicht bestehen bleibt, wenn der Eigentümer gleichzeitig Wohnrechtsinhaber ist.
- Das Grundstück konnte nun verkauft werden, um die Schulden des Schuldners zu begleichen.
Der Schuldner konnte sein Haus also nicht behalten, obwohl er dachte, sich mit der Übertragung und dem Wohnrecht abzusichern.