Blog»Arbeitsrecht»BAG - 20.09.2017-10 AZR 171/16 - Entgeltfortzahlung an Feiertagen nach § 2 EFZG, § 1 MiLoG - ein tariflicher Nachtarbeitszuschlag ist aus gesetzlichem Mindestlohn zu berechnen

BAG - 20.09.2017-10 AZR 171/16 - Entgeltfortzahlung an Feiertagen nach § 2 EFZG, § 1 MiLoG - ein tariflicher Nachtarbeitszuschlag ist aus gesetzlichem Mindestlohn zu berechnen

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich - soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht - nach § 2 EFZG* iVm. § 1 MiLoG**. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.

Monday, 11 June 2018 | | | | Kommentieren !
Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG).
Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG).

Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie idF vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht ua. einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein „Urlaubsentgelt“ iHd. 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Zehnten Senat - abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz - ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Be-stimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2017-10 AZR 171/16

 

*§ 2 Abs. 1 EFZG lautet:

Entgeltfortzahlung an Feiertagen
(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.“

**§ 1 MiLoG (in der hier maßgeblichen Fassung) lautete auszugsweise:

Mindestlohn
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.
(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. …

 

In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem:

(...)

Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch

Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine Ansprüche. In die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbare Entgelttarifverträge greift das Mindestlohngesetz nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch. Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält. Dabei sind alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllungswirkung fehlt solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen (grundsätzlich dazu BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - BAGE 155, 202; vgl. zur Erfüllungswirkung umfassend auch BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - BAGE 157, 356).

(...)

Vergütungsanspruch für wegen Feiertag ausfallenden Arbeitsstunden ergibt sich nicht aus dem Mindestlohngesetz

Ein Anspruch auf eine Bruttovergütung von 8,50 Euro für die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfallenden Arbeitsstunden ergibt sich allerdings nicht aus dem Mindestlohngesetz. Für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine unmittelbaren Ansprüche (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19, BAGE 155, 202). Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs ergibt sich vielmehr für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Hiervon darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das hiernach maßgebliche Entgeltausfallprinzip verlangt, den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen (vgl. BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 495/14 - Rn. 29 f., BAGE 151, 331 [zum TV Mindestlohn für pädagogisches Personal]), soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht. Eine von § 2 EFZG abweichende Regelung trifft das Mindestlohngesetz nicht.

(...)

Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Mindeslohngesetz

Ein Anspruch auf einen bestimmten Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Mindeslohngesetz. Dieses lässt arbeits- bzw. tarifvertragliche Vergütungsansprüche unberührt und legt grundsätzlich keine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen oder Zuschlägen fest (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 34, BAGE 155, 202).

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2017-10 AZR 171/16)

 

 

 


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Letzte Änderung am Tuesday, 07 March 2023 16:37
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Gerhard Ostfalk

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