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Ist Rücklast bei Insolvenz des Energieversorgers eine praktikable Lösung

Der Energiekunde ist nicht berechtigt, die vertraglichen Abschlagsraten einzubehalten, bevor ihm nicht regulär eine Jahresabrechnung mit einem Guthaben erteilt wird.

Friday, 08 February 2019 | | Kommentieren !
Erteilt der Insolvenzverwalter sodann nach Abrechnungsreife eine Energiekostenabrechnung und ergibt sich hieraus ein Guthaben für den Kunden, so hat der Kunde keinen Anspruch auf bevorzugte Befriedigung.
Erteilt der Insolvenzverwalter sodann nach Abrechnungsreife eine Energiekostenabrechnung und ergibt sich hieraus ein Guthaben für den Kunden, so hat der Kunde keinen Anspruch auf bevorzugte Befriedigung. (c) Ostfalk

Uns erreicht die folgende Frage:

Ein Energieversorger meldet Insolvenz an. Ein Kunde erwartet wegen eines geringen Verbrauches eine Rückerstattung und lässt daher die Abschlags-Lastschrift des Vormonates zurückgehen, weil er befürchtet, im Insolvenzverfahren leer auszugehen.

Das ist eine Vorgehensweise, die ein facebook-Portal seinen Mitgliedern gerade als angeblich zulässig empfiehlt.

Frage: Ist diese Selbstbedienung Einzelner an der Insolvenzmasse rechtens und aufgrund des zu erwartenden Guthabens konsequenzenfrei - sprich die Zahlung des vor Insolvenz belasteten Abschlages würde vom Insolvenzverwalter nicht eingeklagt?

Meiner Meinung nach müsste es doch irgend eine rechtliche Grundlage geben, die z.B. Rückbelastung von Geldern einer insolventen Firma verbietet - sonst müsste es ja gar keine Insolvenzverfahren geben, wenn einzelne Gläubiger erstmal ihren Anteil in voller Höhe auf dem Weg des Lastschriftswiderspruches holen können.

 

1 Einige Vorüberlegungen hierzu: Vorüberlegung

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Energieversorgung nicht automatisch eingestellt wird, nur weil ein Insolvenzantrag gestellt wurde.

Ohnehin ist dabei noch zu unterscheiden, ob lediglich ein Insolvenzantrag gestellt wurde, oder ob bereits ein förmliches Insolvenzverfahren durch einen Gerichtsbeschluss eröffnet wurde.

In jedem Fall aber bleibt auch im Insolvenzfalle der bestehende Energielieferungsvertrag zunächst bestehen.

1.1 Insolvenzverfahren

Sowohl ein Insolvenzantrag, als auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist für den Kunden zunächst noch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages.

Solange der Energieversorger seine Kunden noch beliefert, sind diese weiterhin an den Vertrag gebunden. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn die Energielieferung eingestellt wird.

Ordentlich kann nur nach Ablauf der vertraglichen Laufzeit gekündigt werden.

In der Regel werden monatliche Abschlagszahlungen vereinbart sein, die der Kunde also zunächst weiterhin erbringen muss.

Der einzige Unterschied:

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss der Kunde an den Insolvenzverwalter zahlen.

Er sollte seinen Dauerauftrag ändern und die Vorauszahlungen nur noch auf das Konto des Insolvenzverwalters einzahlen. Im Zweifel muss beim Insolvenzverwaltern nachgefragt werden, welche Bankverbindung gilt.

1.2 Erfüllung oder Nichterfüllung

Der Insolvenzverwalter hat nach § 103 InsO das Recht zu entscheiden, ob er den Versorgungsvertrag weiter erfüllt oder nicht.

Wählt der Insolvenzverwalter „Erfüllung“, so liefert er weiterhin die vereinbarte Energie, wählt er „Nichterfüllung“, stellt er die Energieversorgung ein und der Kunde kann ab dem Zeitpunkt der Leistungseinstellung seine monatlichen Abschlagszahlungen einstellen, § 320 BGB.

1.3 Abrechnungsguthaben

Was aber passiert, wenn der Kunde mit einem Abrechnungsguthaben rechnet ? Kann er dann bei fortgesetzter Energielieferung die Vorauszahlungen einstellen oder bereits über den Bankeinzug eigezogene Raten zurückziehen, um das erwartete Guthaben mit den Monatsraten „zu verrechnen“ ?

Im Ergebnis ist der Energiekunde aber nicht dazu berechtigt, die vertraglichen Abschlagsraten einzubehalten, bevor ihm nicht regulär eine Jahresabrechnung mit einem Guthaben erteilt wird.

2 Leistungsverweigerungsrecht bei Einstellung der Energielieferung

Im Grundsatz gilt: Erst wenn die Energielieferung eingestellt wird, endet die Zahlungspflicht des Kunden, da der Kunde dann nach § 320 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht und ein Recht zur fristlosen Vertragskündigung hat.

2.1 Ersatzversorgung

Problematisch dürfte aber sein, dass im Falle einer Leistungseinstellung automatisch die so genannte "Ersatzversorgung" durch den Grundversorger eintritt. Der Kunde wird also in vielen Fällen noch nicht einmal bewusst merken, dass ihn plötzlich ein anderes Unternehmen versorgt. Denn die Umstellung erfolgt unterbrechungsfrei.

Zwar muss der Netzbetreiber unverzüglich alle Kunden über die Ersatzversorgung in Textform informieren und auf die Grundversorgung nach § 36 EnWG und die Ersatzversorgung nach § 38 EnWG hinweisen, § 3 Abs. 2 NAV, § 3 Abs. 2 NDAV.

Auch der einspringende Grundversorger (Ersatzversorger) muss dem Kunden ebenfalls unverzüglich den Beginn und das Endes der Ersatzversorgung in Textform mitteilen. Und für die Ersatzversorgung ist kein Vertragsabschluss nötig. (§ 38 EnWG, § 3 Strom GVV, § 3 GasGVV)

Da es aber zu keiner Versorgungsunterbrechung kommt, kann dies der Kunde dennoch übersehen.

Dann kann es passieren, dass ein Dauerauftrag an den notleidenden Versorger weiterläuft oder trotz der Versorgungseinstellung weiterhin Abschlagsraten eingezogen werden.

Da der notleidende Versorger und der Ersatzversorger grundsätzlich zwei unterschiedliche Unternehmen sind, die rechtlich nichts miteinander zu tun haben, werden die an den Not leidenden Versorger erbrachten Zahlungen nicht auf das Rechtsverhältnis mit dem Ersatzversorger angerechnet.

Der Kunde muss also doppelt aufpassen: Erbringt er noch Zahlungen gegenüber dem Not leidenden Unternehmen, dessen Versorgung bereits eingestellt wurde, muss er seine Zahlungen von diesem zurückverlangen.

Gleichfalls hat der Ersatzversorger einen eigenen Anspruch für die von ihm erbrachten Energielieferungen. Der Kunde kann also doppelt zur Kasse gebeten werden.

Hier muss der Kunde aufpassen. Entweder er kann die eingezogenen Raten über eine Rücklastschrift zurückfordern oder er muss seinen Dauerauftrag rechtzeitig einstellen.

2.2 Rückforderungsanspruch gegenüber dem not leidenden Energieversorger

Wenn aber dennoch an den Not leidenden Versorger bezahlt wird, obwohl dieser seine Energielieferung bereits eingestellt hat, muss der Kunde seine Rückforderungsansprüche von dem Energieversorger zurückfordern.

Diesen Rückerstattungsanspruch kann er nach förmlicher Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aber nur zu Insolvenztabelle anmelden. Er wird also am Ende –nach dem Ende des Insolvenzverfahrens- aller Voraussicht nach nur mit einer geringen Insolvenzquote befriedigt.

2.3 Kündigungs- und Zurückbehaltungsrecht bei Ersatzversorgung

Des Weiteren ist zu beachten, dass der Energielieferungsvertrag mit dem Not leidenden Energieversorger nicht automatisch endet.

Ab dem Zeitpunkt der eingetretenen Ersatzversorgung stoppt aber die Versorgung durch den Not leidenden Versorger. Das berechtigt zu einem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich vereinbarter Vorauszahlungsraten und berechtigt zur fristlosen Kündigung.

Zum Teil wird empfohlen, in dieser Situation eine fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages auszusprechen. Ob das erforderlich ist, ist fraglich, da jedenfalls eine weitere Zahlungspflicht mangels Energielieferung nicht mehr besteht, § 320 BGB.

3 Zahlungseinstellung bei zu erwartendem Abrechnungsguthaben ?

Was aber ist, wenn der Kunde hinsichtlich der von ihm erbrachten Abschlagszahlungen mit einem Guthaben wegen eines geringeren Energieverbrauches rechnet?

3.1 Fälligkeit des Abrechnungsguthabens

Ein Abrechnungsguthaben wird erst dann fällig werden, wenn der Stromanbieter eine entsprechende Verbrauchsabrechnung erteilt. Bis dahin gelten die mit dem Vertrag vereinbarten monatlichen Abschlagszahlungen.

Aus dem jeweiligen Wahlanbietervertrag ergibt sich, zu welchem Zeitpunkt der Stromanbieter diese Abrechnung vorlegen muss.

Erst wenn der Stromanbieter mit der Erteilung dieser Abrechnung in Verzug gerät, steht dem Kunden nach erfolgloser Fristsetzung ein Recht zur fristlosen Kündigung zu. Außerdem kann er dann gegebenenfalls selbst abrechnen und etwaige Guthaben fällig stellen.

3.2 Abrechnungspflicht des Insolvenzverwalters

Ob nun ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder nicht, in jedem Fall muss entweder das Unternehmen oder der Insolvenzverwalter eine Abrechnung über den tatsächlich verbrauchten Strom oder das tatsächlich verbrauchte Gas erteilen.

Hat der Kunde zu viel Vorauszahlungen erbracht, wird mit der Abrechnung ein Guthaben fällig.

Allerdings: Auch dieses Guthaben ist Teil der Insolvenzmasse und wird gegenüber dem Kunden nur mit einer Insolvenzquote ausgezahlt.

Das führt zu der Überlegung, ob es sinnvoll sein kann, bereits vor Eintritt der Ersatzversorgung die Zahlungen an das Unternehmen einzustellen oder bereits eingezogene Raten durch einen Lastschriftwiderspruch zurückzuholen.

Die Widerspruchsfrist bei Lastschriften durch Einzugsermächtigung beträgt in Deutschland bei autorisierten Lastschriften acht Wochen (§ 675x Abs. 4 BGB)

Um dieser Frage nachzugehen, sind die folgenden Überlegungen notwendig:

3.3 Grundversorger, Wahlversorger und Sonderkunde, Ersatzversorger

Bei der Energieversorgung ist zunächst grundsätzlich zwischen der Grundversorgung, der Wahlversorgung und der Ersatzversorgung zu unterscheiden.

3.3.1 Grundversorger

Als Grundversorger von Strom- und Gaskunden ist jeweils das Energieversorgungsunternehmen anzusehen, dass die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet beliefert. Das ist in § 36 Energiewirtschaftsgesetz (EnEG) geregelt.

Alle drei Jahre wird durch den Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung zum 1. Juli der Grundversorger für die nächsten drei Jahre festgelegt und bis zum 30. September im Internet veröffentlicht.

Befindet sich ein Energiekunde in der „Grundversorgung“ so gelten für seine Versorgungsverträge automatisch die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) bzw. die Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV).

Hier gibt es besondere Regelungen, die Abrechnungsfristen Vorauszahlungen festlegen.

3.3.2 Wahlversorger, Sonderkunde

Strom- und Gaskunden sind grundsätzlich frei, den Anbieter zu wählen.

Wer einen besonderen Tarif mit seinem Wahlanbieter vereinbart, ist Sonderkunde. Für den Sonderkunden gelten nur die mit dem Wahlversorger vereinbarten Vertragsbedingungen.

3.3.3 Ersatzversorger

Wenn der Energieversorger des Endkunden (Letztverbraucher) nicht mehr über seinen Vertragspartner erfüllt wird, tritt automatisch die Ersatzversorgung über den Grundversorger ein, § 36 EnWG.

3.4 Abschlagszahlungen

Mit dem Stromanbieter ist vereinbart, welche monatlichen Abschlagszahlungen zu erbringen sind.

3.4.1 Abschlagszahlungen bei der Grundversorgung

Der Energieversorger ist gegenüber Haushaltskunden in der Grundversorgung berechtigt, für die nach der letzten Abrechnung verbrauchte Energie Abschlagszahlungen zu verlangen (§ 13 StromGVV bzw. GasGVV).

Abschläge dürfen dabei aber nur für bereits verbrauchte Energie, also im Nachhinein, erhoben werden.

3.4.2 Abschlagszahlungen bei der Wahlversorgung

Auch in Verträgen mit Sonderkunden wird entweder auf die Regelungen der GVV verwiesen oder es werden vergleichbare Vereinbarungen getroffen.

Dabei versuchen einige Lieferanten, Abweichendes zu regeln.

Aber auch für Sonderkunden gilt:

Wird eine Vorauszahlung vereinbart, muss sich diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. Eine Vorauszahlung wird nicht vor Beginn der Lieferung fällig, § 41 Abs. 2, Satz 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

Daher können Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Wahlversorger aufgrund eines Verstoßes gegen § 41 Abs. 2, S. 2 EnWG unwirksam sein.

Daneben dürften aber auch nach der Rechtsprechung bei der Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Regelungen des § 13 StromGVV bzw. GasGVV als „Leitbild im weiteren Sinne“ herangezogen werden.

(vergl. OLG Celle, Urteil vom 26. September 2013 – 13 U 30/13)

Also auch bei der Wahlversorgung dürfen monatliche Abschlagsforderungen jeweils nur den abgeschlossenen Monat abdecken.

Eine Vorauszahlung für den kommenden Monat verbietet sich.

3.4.3 Anpassung des Abschlagszahlungen

Hat der Kunde einen geringeren Verbrauch, hat er einen Anspruch auf Anpassung. Vom Energieversorger ist eine entsprechende Anpassung zu verlangen.

3.5 Abrechnungspflicht des Stromanbieters

Es stellt sich die Frage, wann der Energieversorger zur Abrechnung verpflichtet ist.

Nach § 40 Abs. 4 EnWG muss der Stromanbieter sicherstellen, dass Privatkunden ihre Abrechnung spätestens 6 Wochen nach Beendigung der Abrechnungsperiode erhalten.

Ergibt sich ein Guthaben (Rechnungsüberschuss), dann muss der Stromanbieter dieses Guthaben umgehend an den Kunden erstatten oder spätestens mit der nächsten Abschlagszahlung vollständig ausgleichen. Eine Verrechnung, verteilt auf mehrere Abschlagszahlungen ist nicht zulässig.

(LG Düsseldorf; AZ: 12 O 474/12; OLG Düsseldorf I-20 U 136/14)

Sofern der Stromanbieter entgegenstehende allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart hat, sind diese nach § 307 BGB unwirksam.

3.6 Fälligkeit des Abrechnungsguthabens

Abrechnungsguthaben wird erst dann fällig werden, wenn der Stromanbieter eine entsprechende Verbrauchsabrechnung erteilt oder zur Erteilung verpflichtet ist. Bis dahin gelten die mit dem Vertrag vereinbarten Vorauszahlungen.

Aus dem jeweiligen Wahlanbietervertrag ergibt sich, zu welchem Zeitpunkt der Stromanbieter diese Abrechnung vorlegen muss.

Erst wenn der Stromanbieter mit der Erteilung dieser Abrechnung in Verzug gerät, steht dem Kunden nach erfolgloser Fristsetzung ein Recht zur fristlosen Kündigung zu.

3.7 Die Abrechnung

Die Rechnungen der Energieversorger müssen nach dem Energiewirtschaftgesetz (EnWG) einfach und verständlich sein und mindestens Angaben zu folgenden Punkten enthalten:

- Preis, Abrechnungszeitraum, Anfangs- und Endzählerstand, Ableseart und gezahlte Abschläge,

- Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse des Energieversorgers,

- Vertragsdauer, geltende Preise, nächstmöglichen Kündigungstermin und Kündigungsfrist,

- Nummer der Lieferstelle (Zählpunktbezeichnung) und Codenummer des Netzbetreibers,

- Vorjahresverbrauch und Verbrauch der Vergleichskundengruppe,

- die Anteile der einzelnen Energieträger, deren Kohlendioxidemissionen und radioaktiver Abfall,

- Konzessionsabgabe, Netzentgelt, eventuelle Entgelte für Messstellenbetrieb und Messung,

- Hinweis auf die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens, Anschrift der Schlichtungsstelle sowie Kontaktdaten der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde.

3.8 Einspruchs- und Zurückbehaltungsrechte

3.8.1 Nur Einspruchsrecht bei der Grundversorgung

Nur weil Sie der Auffassung sind, Ihre Abschlagszahlungen seien zu hoch oder Sie würden bei der nächsten Abrechnung ein Guthaben erwarten, berechtigt das in der Regel nicht dazu, eigenständig ein Zurückbehaltungsrecht bei den Abschlagszahlungen vorzunehmen.

Vielmehr bleibt der Energiekunde bis zur Erteilung einer Abrechnung zur Erbringung der vereinbarten Abschlagsraten verpflichtet.

3.8.1.1 Grundsätzlich ist eine Zahlungsverweigerung des Kunden in der Grundversorgung ausgeschlossen.

Das bedeutet, dass Guthaben erst nach Klärung liquidiert werden können.

Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Strom GVV nur,

1. soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder

2. sofern

a. der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und

b. der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt

und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwände, die der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, ihn nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" besteht.

Ein offensichtlicher Fehler liegt nicht vor, wenn zu dessen Klärung umfangreiche Tatsachenfeststellungen erforderlich wären, etwa wenn die ordnungsgemäße Funktionsweise eines Zählers erst durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden könnte.

(OLG Koblenz, Urteil vom 17.3.2015, 3 U 1514/14 )

Ein ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist dann anzunehmen, wenn eine Verdoppelung des Verbrauchs in einem früheren Zeitraum vorliegt.

(OLG Celle, Beschluss vom 8.9.2014, 13 U 71/14 ).

3.8.1.2 BGH: Zurückbehaltungsrecht erst bei "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers"

Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV beruht zwar – ebenso wie die von ihr abgelöste Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 AVBEltV – auf der Erwägung des Verordnungsgebers, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Grundversorger nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen hinnehmen müssen, die sich daraus ergeben, dass Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen zu vermeiden, wollte der Verordnungsgeber es den Versorgungsunternehmen ermöglichen, die Vielzahl ihrer häufig kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen.

Der Kunde wird deshalb nach § 17 StromGVV im Regelfall mit seinen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnung (insbesondere Mess- und Ablesefehler) im Zahlungsprozess des Versorgers ausgeschlossen. Dadurch wird der Kunde aber nicht rechtlos gestellt. Denn die Darlegungs- und Beweislast des Versorgers für die Richtigkeit der Abrechnung ändert diese Regelung nicht. Vielmehr wird die Beweisaufnahme in den Fällen, in denen der Kunde nach § 17 StromGVV mit seinen Einwendungen ausgeschlossen ist, lediglich auf den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert.

Sofern der Kunde allerdings bereits die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" aufzeigen kann, ist er mit seinem Einwand nicht auf einen späteren Rückforderungsprozess verwiesen. Vielmehr ist sein Einwand, die berechnete Strommenge nicht bezogen zu haben, schon im Rahmen der Zahlungsklage des Versorgers zu prüfen. Das Energieversorgungsunternehmen muss dann nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen seines Anspruchs, also auch den tatsächlichen Bezug der in Rechnung gestellten Energiemenge beweisen.

(BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 148/17)

3.8.2 Zurückbehaltungsrecht des Sonderkunden bei der Wahlversorgung

Für Sonderkunden sind in erster Linie grundsätzlich die Regelungen des Vertrages zu beachten. Diese verbieten dem Energiekunden in der Regel ein Zahlungsverweigerungsrecht.

Die StromGVV und die GasGVV gelten für diese Rechtsverhältnisse weder unmittelbar noch analog. Jedoch können die Stromversorger die Verbraucher nicht mit unangemessenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen benachteiligen.

In einem Sondervertrag ist die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers, wonach „Einwände gegen Rechnungen nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht“, nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Eine solche Klausel, die wörtlich die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV wiedergibt, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie inhaltlich nicht auch die in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV enthaltene Regelung mitübernommen hat.

Bei der AGB-Kontrolle gemäß §§ 307 ff BGB kommt den Bestimmungen der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie für Sonderkundenverträge eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten.

(OLG Celle, Urteil vom 26. September 2013 – 13 U 30/13)

3.9 Fazit

Der Energiekunde hat die vereinbarten monatlichen Abschläge zu erbringen.

Solange die vereinbarte Energie geliefert wird, besteht weder ein Zurückbehaltungsrecht, noch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Energielieferungsvertrages.

Der Versorger muss nach dem Ende der Abrechnungsperiode eine Verbrauchsabrechnung erteilen.

Abrechnungsguthaben werden erst mit der erteilten Abrechnung fällig.

Vor der Abrechnungsfälligkeit steht dem Energiekunden ein Zurückbehaltungs- oder Einwendungsrecht nicht zu.

Geht man also davon aus, dass zum einen ein Guthabenbetrag erst mit der Erteilung einer Abschlussrechnung durch den Versorgungsanbieter entsteht und fällig wird, so stellt die Zahlungseinstellung oder eine Rücklastbuchung einen Verstoß gegen den Energielieferungsvertrag dar, solange der Energieversorger seinerseits seine Leistung, also die Erbringung von Gas oder Strom erbringt.

3.9.1 Forderungsrecht des Insolvenzverwalters

Der Insolvenzverwalter kann also in berechtigter Weise die zurückgerufenen Abschlagszahlungen fordern, und zwar in voller Höhe.

3.9.2 Guthabenforderungen müssen zur Insolvenztabelle angemeldet werden

Erteilt der Insolvenzverwalter sodann nach Abrechnungsreife eine Energiekostenabrechnung und ergibt sich hieraus ein Guthaben für den Kunden, so hat der Kunde keinen Anspruch auf bevorzugte Befriedigung.

Seine Abrechnungs-Guthabenforderung muss er demnach zur Insolvenztabelle anmelden. Am Ende des Insolvenzverfahrens wird er dann aller Voraussicht nach mit einer „Quote“ aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können.

 

 

 


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Letzte Änderung am Tuesday, 07 March 2023 11:42
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Gerhard Ostfalk

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