Nach dieser Schilderung sind die Mieter Erben des Architekten Richard Paulick. Dieser hatte in der frühen DDR in der damaligen Stalinallee, jetzt Karl-Marx-Allee, „Arbeiterpaläste“ geplant. Seine Erben wohnen noch heute in einer der Wohnungen aus dem Baukomplex, die sich nach wie vor noch im Originalzustand befindet.
Der Vermieter hatte die Erben aufgefordert, eine Duldungserklärung für Modernisierungsmaßnahmen abzugeben. Die geplante Modernisierung bezog sich auf den Austausch sämtlicher Fenster, der Dämmung einer Fassade, sowie dem Einbau einer Abluft- und die Optimierung der Heizungsanlage. Die Mieter haben diese Duldungserklärung nicht unterzeichnet und der gegen sie klagende Vermieter unterlag beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg.
Die Argumentation ist interessant: Die Mieter haben sich als Erben des planenden Architekten auf einen urheberrechtlichen Abwehranspruch aus den § 14, 39 Urheberrechtsgesetz (UrhG) gestützt. In der IMR wird aus dem Urteil zitiert, die Wohnung sei als abgrenzbarer Teil innerhalb eines Wohngebäudes urheberrechtlich schutzfähig im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urhebergesetz.
Das Urheberrechtsgesetz unterscheidet zunächst zwischen den Rechten des Urhebers- und den Rechten des Inhabers eines Nutzungsrechtes. Urheber ist derjenige, der das Werk selbst geschaffen hat. Seine Rechte können nur durch Erbschaft als Ganzes auf den Erben übertragen werden. Das bedeutet, dass das Urheberrecht an sich nicht auf Dritte übertragen werden kann, schon gar nicht auf den Eigentümer einer Immobilie.
Um das Werk jedoch durch andere verwerten zu lassen, kann der Urheber einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder mehrere Nutzungsarten zu nutzen. Dies wird als Nutzungsrecht bezeichnet.
Im Verhältnis von Architekt zu Bauherr muss also zwischen Urheberrecht und Nutzungsrechten unterschieden werden. In den wenigsten Fällen gibt es ausdrückliche Nutzungs- und Verwertungsvereinbarungen zwischen Architekt und Bauherr, sodass sich der Inhalt der Nutzungsrechte des Bauherren aus den Umständen ergibt; auch eine stillschweigende Übertragung von Nutzungs- und Verwertungsrechten ist hier möglich.
Nach § 14 des Urheberrechtsgesetz hat der Urheber (und in unserem Fall der Rechtsnachfolger = Erbe) das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlich Interessen am Werk zu gefährden.
Nach § 39 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz darf der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk dessen Titel oder Urheberrechtsbezeichnung nicht ändern, wenn nichts anderes vereinbart ist.
§ 39 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz schränkt diese Maßgabe aber dahingehend ein, dass Änderungen dann zulässig sind, wenn der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann.
Aus dieser Vorschrift folgt, dass die berechtigten Interessen des Nutzungsrechts- Inhabers abzuwägen sind gegen die Interessen des Urhebers. Mit der vorliegenden Entscheidung des Amtsgerichtes Tempelhoff hat dieses offensichtlich die vorzunehmende Abwägung zu Gunsten der Mieter, bzw. der Erben des Urhebers vorgenommen und ihnen einen Abwehranspruch gegen die Modernisierungsmaßnahme zuerkannt.
Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 30.07.2014 – 10 C 355/12-