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Schadet die Mietpreisbremse dem Mieter ?

Kernpunkt der Reform ist, dass in angespannten Wohnungsmärkten die Mieten bei einer Neuvermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen solle. Bei Neubauten und nach umfangreichen Modernisierungen soll es keine Beschränkungen geben. Doch das Gesetz ist umstritten. Die wichtigsten Kritikpunkte werden im Folgenden zusammengefasst.

Tuesday, 06 January 2015 | | | | Kommentieren !
Mietpreisbremse
Mietpreisbremse (c) ostfalk

Der Gesetzesentwurf zur Dämpfung des Mietanstiegs (Mietpreisbremse) wurde am 1. Oktober 2014 vom Bundeskabinett beschlossen und soll in der ersten Jahreshälfte 2015 in Kraft treten.
Konkret wirksam werden die Regelungen zur Dämpfung des Mietanstiegs dann, wenn die Länder die zugehörigen Rechtsverordnungen zur Ausweisung der entsprechenden Gebiete erlassen haben. Am 01.11.2014 hat der Deutsche Bundestag in 1. Lesung den Gesetzentwurf zur Einführung der Mietpreisbremse beraten.

1.) Eingriff in Eigentums- und Freiheitsrechte durch die Mietpreisbremse

Der Hauseigentümerverband Haus & Grund Deutschland kritisiert, dass das Gesetz zur Mietpreisbegrenzung bei der Wiedervermietung (Mietpreisbremse) massiv und in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) sowie in die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreife und verweist auf die marktwirtschaftlichen Auswirkungen der Reform.

Mieten steigen nur an Orten, an denen die Nachfrage das Angebot übersteige.
Das Angebot werde aber durch eine staatlich begrenzte Miete nicht größer, sondern Personengruppen mit hohem Einkommen würden sich gegenüber niedrigeren Einkommensgruppen durchsetzen und günstigen Wohnraum bekommen, denn
durch die gedrosselten Mietpreise werde mehr Wohnfläche für einkommensstarke Gruppen erschwinglich. Da aber nicht mehr Wohnfläche geschaffen wird, steige der Marktdruck auf dem Wohnungsmarkt und die Mietpreisbremse werde den Markt weiter verengen und die Gentrifizierung fördern.

2.) Die Deckelung der Miete durch die Mietpreisbremse verenge den Wohnungsmarkt und verdränge am Ende sozial schwache Mieter

Auch die FAZ warnt vor den Folgen einer Mietpreisbeschränkung, die in Amerika nach 1945 zu beobachten war. Reiche Leute wohnten in übergroßen Wohnungen, die sie sich dank der Mietdeckelung viel einfacher leisten konnten.
Denn Mietpreisbremsen sorgen nicht dafür, dass neuer Wohnraum geschaffen wird. deshalb reduziere sich das Wohnungsangebot, was regelmäßig die sozial Schwachen trifft und in der Langzeitfolge eher dahingehend wirkt, dass verknappter Wohnraum teurer wird.

So haben –wie die FAZ berichtet- Studien für New York nachgewiesen, dass kinderlose Singles und Paare oft in größeren Wohnungen als ähnlich reiche Familien mit Kindern wohnten, und allgemein zu große Wohnungen bewohnt wurden, obwohl andernorts Wohnungsnot herrschte.

Es sei deshalb –so Haus und Grund- davon auszugehen, dass durch gedrosselte Mieten die ohnehin beliebten Stadtteillagen für alle Einkommensschichten noch attraktiver werden. Der Nachfrage nach Wohnraum nehme also deutlich zu.

3.) Das Gesetz beseitigt nur Symptome, nicht aber die Ursachen von steigenden Mieten

So formulieren Kritiker ihre Bedenken auch dahingehend, dass der Gesetzesentwurf
nur die Symptome, nicht aber die Ursache der hohen Mieten bekämpfe. Vielmehr müsse die Städtebauförderung des Bundes dauerhaft erhöht werden, Bauland preiswerter, das Wohngeld an die tatsächliche Mietentwicklung angepasst, die Baukosten gesenkt und bundeseigene Immobilien nicht mehr nur zum Höchstpreis verkauft werden.

Auch von der Mieterseite selbst kommt Kritik mit diesem Argument, soweit  Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund e.V. bei einer Anhörung im Bundestag darauf hinwies, dass eine Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus fehle.

4.) Die Qualität des Wohnraumes verschlechtert sich

Ferner wird befürchtet, dass sich die Qualität des Wohnraumbestandes verschlechtern werde, denn jedenfalls Bau- und Bauhandwerkskosten werden ungebremst weiter steigen.
Wenn aber Investoren aufgrund der gebremsten Mietpreisentwicklung nicht mit einer ausreichenden Refinanzierung durch Mieteinnahmen kalkulieren können, bleibt die Motivation zur Schaffung neuen oder verbesserten Wohnraumes aus. Das wird sich langfristig negativ auf das Wohnungsangebot auswirken.

5.) Langfristig wird eine Verknappung des Wohnungsangebotes befürchtet

Noch weitergehen wird befürchtet, dass sich die Anzahl der Mietwohnungen auf dem Wohnungsmarkt reduzieren könnte. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf die Spiegel-online hinweist, wirke die Mietpreisbremse bestenfalls nur formal. Wenn Vermieter und Investoren ihre Mieteinnahmen nicht mehr steigern könnten, würden immer mehr Immobilien an Selbstnutzer verkauft und das Angebot an Mietwohnungen insgesamt knapper. Dadurch werde die Bremse "letztendlich das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichtigt". So schade die Mietpreisbremse am Ende dem Mieter selbst.


6.) Die „ortsübliche Vergleichsmiete“ sei kein geeigneter Ansatz für die Berechnung einer Mietpreisüberschreitung
Ein weiterer Kritikpunkt an dem bisherigen Gesetzesentwurf stellt der Bezug zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“ dar. Dies wird als ungenauen Referenzpunkt angesehen, denn die Vergleichsmiete sei rechtsunsicher und streitfällig.
Hintergrund ist, dass der Wert, der als „ortsübliche Vergleichsmiete“ angesehen wird, nicht im Gesetz abzulesen ist. Auch ein Mietspiegel kann nur Anhaltspunkte geben, wie eine ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln ist. Im Einzelfall hängt dabei die Bewertung einer Wohnung von einer Vielzahl von Faktoren ab, die im Streitfall nur von einem Sachverständigen im Rahmen eines Gerichtsprozesses rechtssicher ermittelt wird.


Und auch bei Sachverständigengutachten gilt: drei Sachverständige, vier mögliche „ortsübliche Vergleichsmieten“

Damit sei nach Gutachten von Prof. Dr. Alexander Blankenagel, Prof. Dr. Rainer Schröder und Prof. Dr. Wolfgang Spoerr eine realitätsgerechte und marktnahe Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bereits heute mit dem gängigen Instrument des qualifizierten bzw. des einfachen Mietspiegels kaum möglich.

5.) Ein „exorbitanter Mietanstieg“ in den letzten Jahren wird bestritten

In Zweifel wird auch die Grundannahme der Bundesregierung gezogen, in den vergangenen Jahren seien die Mieten teilweise exorbitant gestiegen.
Vielmehr sei die Annahme einer allgemeinen Mietpreisexplosion in Deutschland mit seriösen Daten nicht zu belegen.
Nach dem Statistische Bundesamt seien in den letzten zehn Jahre die Wohnungsmieten lediglich um 11,9 Prozent gestiegen.
Demgegenüber sei der ebenfalls vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex in der gleichen Zeit um 18,0 Prozent gestiegen.
Signifikante Mietpreissteigerungen seien nur für wenige Ballungsräume zu verzeichnen, die sich sowohl durch wirtschaftliche Stärke als auch durch ein attraktives kulturelles Angebot auszeichnen und damit eine Bevölkerungszuwanderung verzeichnen können. Selbst in diesen Städten seien die Mietpreissteigerungen zumeist auf wenige „In-Quartiere“ begrenzt, während in anderen Stadtteillagen weiterhin preisgünstiges Wohnen möglich sei.

6.) Wirkt die Mietpreisbremse überhaupt ?

Damit stellt sich auch die Frage, ob sich die Mietpreisbremse überhaupt auf den Markt auswirke und wer überhaupt davon betroffen wäre.
Die Forscher vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) haben dies zuletzt für Berlin und Köln untersucht, wobei sie Wohnungsangebote auf der Internetplattform Immobilienscout24 ausgewertet haben. Damit sollte ermittelt werden, wie viele Vermietungen betroffen wären, wenn die Preisbremse bereits im ersten Halbjahr 2014 gegolten hätte. Die Studie kommt
für Berlin zu dem Ergebnis, dass vor allem Wohnungen in guter Lage betroffen seien: In fast 72 Prozent der entsprechenden Inserate lagen die Neumieten bereits 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete.
In Köln waren seien es mit fast 87 Prozent dagegen besonders Neuvermietungen in einfachen Lagen, für die die Mietpreisbremse gegolten hätte. Einfache, mittlere und gute Lagen zusammengerechnet, wären in Berlin 60 Prozent der Inserate unter die Mietpreisbremse gefallen, in Köln wären es 43 Prozent gewesen, Die Mietpreisbremse betreffe also nicht nur einige wenige Mietforderungen, die im Vergleich zum Gesamtmarkt tatsächlich überhöht sind, sondern wirke zumindest in Berlin und Köln großflächig.
Ob die Auswirkungen tatsächlich so groß sein werden kann aber bezweifelt werden, denn es ist davon auszugehen, dass die ausgewerteten Wohnungsinserate nicht unbedingt die endgültig ausgehandelten Mieten wiedergeben, die auch zum Vertragsschluss führen.

7.) Verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit

Haus und Grund weist darauf hin, dass die Mietpreisbremse den erforderlichen Bezug des Systems der ortsüblichen Vergleichsmiete zum Markt beseitige.

Bislang ist die Vertragsfreiheit des Vermieters bei Mietanpassungen durch das System der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt worden. Der Vermieter kann nach § 558 BGB die Anpassung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen.

Dabei wurde das Instrument der ortsüblichen Vergleichsmiete aus Gründen des Bestandsschutzes für bestehende Mietverträge geschaffen. Sie stelle eine „modifizierte Durchschnittsmiete“ dar, weil sie sowohl die Altmieten als auch die frei verhandelten Mieten neu abgeschlossener Verträge berücksichtige.

Wenn die Mietpreisbremse aber auch die neu vereinbarten Mieten an dieses Vergleichsmietensystem anbinde, gehe der einzige Marktbezug verloren. Damit überträgt das Gesetzesvorhaben den Mechanismus des Bestandsschutzes von bestehenden Mietverträgen in verfassungswidriger Weise auf den Abschluss neuer Mietverträge und damit werde das bisher bewährte Vergleichsmietensystem selbst verfassungswidrig.

9.) Ein letzter Gedanke: Wer wird durch das Gesetz privilegiert und wer wird bestraft ?

Noch ein anderer Gedanke: Zu bedenken ist auch, dass eine gesetzliche Mietpreisbremse im Ergebnis weniger diejenigen Vermieter reglementiert, die stets alles daran setzen, immer eine höchstmögliche Miete zu realisieren sondern vielmehr diejenigen Vermieter bestraft, die bislang die Mieten nur moderat oder gar nicht erhöht haben.

Denn wer als Vermieter bereits bei der Gestaltung der Mietverträge über Staffelmieten, Indexmietklauseln oder während des Mietverhältnisses durch ständige Mieterhöhungen das Limit nach oben hin bereits ausgereizt hat, wird eher selten an die beabsichtigten Mietpreisgrenzen stoßen.

Derjenige Vermieter aber, der über Jahre oder Jahrzehnte gegenüber seinen Mietern auf ständige Mietanpassungen verzichtet hat oder die Miete nur moderat angehoben hat, sich aber irgendwann einmal bei einer Neuvermietung gezwungen sieht, zeitgemäße und örtlich angemessene Mieten verlangen zu wollen, kommt sehr schnell an die Grenzen der Mietspreisbremse stoßen.

Die Folge ist auch hier: Der Druck auf Mieter wird steigen. Denn jedem Vermieter kann jetzt nur noch geraten werden, seine Mieten regelmäßig –soweit gesetzlich möglich- nach oben hin anzupassen. Denn jeder Verzicht auf eine mögliche Mietanpassung kann sich bei einem späteren Mieterwechsel aufgrund der Mietpreisbremse rächen.

Damit das nicht passiert werden Vermieter jetzt vermehrt die Preisspirale bei bestehenden Mietverträgen nach oben schrauben.


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Letzte Änderung am Tuesday, 07 March 2023 15:33
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Gerhard Ostfalk

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